Mensch zwischen Gott und Welt

Beeindruckende Aufführung von Karlheinz Komms „Der Fall Luther“ in der Trebgaster Johanniskirche

Trebgast

Peinigendes Verhör Martin Luthers am Vorabend des Reformationstages im Altarraum der Johanniskirche: Dem Angeklagten Luther wird vorgeworfen, ein „Fürstendiener“ und „ Bauernverräter“ zu sein. Ob der Vorwurf berechtigt ist, wird in 14 Verhandlungsszenen geprüft, die wesentliche Stationen seines Lebens Revue passieren lassen.

Für die Aufführung konnte Pfarrer Peter Ahrens 250 Besucher in der stilvollen

Markgrafenkirche begrüßen, die mit einem stürmischen Schlussapplaus die

Theatergruppe TIK und Autor Karlheinz Komm feierten.

Es ist kein irdisches Strafgericht, vor das Luther geladen ist: Ankläger (Gerd Kammerer) und Richter (Günther Zeller) sind imaginäre Personen, die Luther am Ende seines Lebens in einem Traum aufsteigen.

Ein geschickter Einfall Karlheinz Komms, der in der Anlage des Stückes das Naturell Luthers auffängt: seine Gewissensnot, sein Ringen um den rechten Weg zwischen Gott und Welt.

Bruch mit dem Vater

Wichtige Stationen des Scheidewegs werden vorgeführt: Martins Gelübde von

Stotternheim 1505 bei einem schlimmen Gewitter („Hilf Du, Sankt Anna, ich will ein Mönch werden!“), das dazu führt, dass er sein Studium an der Universität Erfurt aufgibt. Er nimmt damit den Bruch mit seinem Vater Hans (Alfred Förster) in Kauf, einem Unternehmer, der geschäftliche Pläne mit seinem Sohn verfolgt. Anders die Mutter Margarete (Hilde Häßler): Liebevoll drückt sie ihrem Sohn einen Essensbeutel in die Hand, bevor dieser sich auf den

Weg ins „Schwarze Kloster“ zu den Augustiner-Eremiten aufmacht.

Eine andere Szene macht deutlich, welche wichtige Rolle der Generalvikar des Ordens, Johannes Staupitz (Sven Larch) für Luther spielt. Er, der ihm Freund und Mentor wird, bezeichnet seine Sündenhysterie und Selbstkasteiungen des Novizen schlicht als „Fürze“.

Vor dem Scheiterhaufen

verhoer-mit-cajetanSelbstverständlich fehlen auch die Wegmarken im Duell mit der Papstkirche unter Leo X. nicht, die sich aus der Sicht Luthers in Sittenverfall, Ablasswesen und Missbrauch des Bußsakraments weit von Gottes Wort entfernt hat: zuerst der Anschlag der 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg 1517, dann die Einschüchterungsversuche des „Ketzers“ durch den päpstlichen Legaten Cajetan in Augsburg vor dem Hintergrund des Scheiterhaufens; eine Szene von schneidender Schärfe, in der Sven Larch als zynisch-scharfer Kardinal brilliert. Danach der Reichstag in Worms (1521) mit Luthers bekanntem Schlusssatz: „Ich kann nicht anders, hier stehe ich, Gott helfe mir. Amen.“ Schließlich die Schutzhaft auf der Wartburg und, angeregt durch die kleine Magd Grete (gekonnt naiv: Mona-Isabelle Peter), die Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche.

Soziale Sprengwirkung

Die Rückblenden zum Schluss zeigen die soziale Sprengwirkung seiner Reform-Gedanken:

Die Freisetzung sexueller Zügellosigkeit bei Klerikern, die sich selbst bei der Vergewaltigung Minderjähriger auf Luther berufen. Oder die Kampfansage der Bauern gegen die Obrigkeit, die sich in ihren „Zwölf Artikeln“ ebenfalls auf die evangelische Lehre beziehen.

Luther tritt ihnen in Predigten und, als er vom Mob niedergeschrien wird

(Bauernführer: Siegfried Dupke), mit der Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“ entgegen.

Welches Urteil das Gericht über den Reformator fällt, bleibt am Ende offen. Wichtiger ist Luthers Selbsterkenntnis, die er Ehefrau Katharina (Andrea Voigt) eingesteht: Die Liebe zu den Bauern, die doch seine Brüder in Christo sind, hat ihm gefehlt.

Atmosphärische Aufführung

Luther und Katharina von BoraUnter der Regie von Jürgen Peter gelingt den Spielern des „Theaters in der Kneipe“ (TIK),

die sich diesmal mit einem ganz anderen Genre versucht haben, eine dichte, atmosphärisch ansprechende Aufführung. Dramaturgisch geschickt wird der Kirchenraum genutzt und Orgelmusik der Reformationszeit (Organistin: Johanna Zeeb) einbezogen. Optisch beeindruckend sind auch die zeitgenössischen Kostüme der Akteure (Sybilla Peda).

Schauspielerisch überwiegt Überzeugendes: Michael Lehner in der Titelrolle schultert in über zwei Stunden eine gewaltige Textleistung. Am stärksten ist er in den leisen Passagen, weniger in seinem apoplektischen Zorn.

Beachtlich auch einige Nebenrollen: Zum Beispiel Jürgen Peter als der Ablassprediger Johann Tetzel, der die Sünder reihenweise abkassiert. Oder Frank Walther, der als quirliger Student Luthers 95 Thesen unters Volk bringt.

Oder Manuela Dresel als Mätresse inmitten einer beschwipst kichernden Adelsclique, welche die blutige Niederwerfung der Bauern feiert.

Wolfgang Schoberth  (Bayerische Rundschau Kulmbach)