Das norddeutsche Abitur – eine Mogelpackung

Fitzgerald Kusz holte Besuch nach und war zu Gast bei den „Saupreißn“ / Note „Eins mit Stern“ für die Trebgaster Theaterkneipe

HEGNABRUNN
Fitzgerald Kusz, unumstrittene Nummer eins der fränkischen Mundart-Autoren („Schweig, Bub!“, „Unkraut“, „Der fränkische Jedermann“), konnte wegen Krankheit nicht bei der Premiere seines bösen Schwanks „Saupreißn“ in der Trebgaster Theaterkneipe (TIK) anwesend sein. Am Samstag holte er den Besuch in Hegnabrunn nach, wo das Stück in der Gaststätte „Zum Unteren Wirt“ aufgeführt und wiederum vom Publikum stürmisch gefeiert wurde. Für die Bayerische Rundschau gab der bekannte Schriftsteller ein Interview zu seinen Eindrücken von der Aufführung.
BR: Herr Kusz, was die Kulturpolitiker der 16 Bundesländer seit diesem Wochenende in Hämisch bringt, haben Sie seit 21 Jahren, der Entstehung Ihrer „Saupreißn“, gewusst: Die Bayern, zu denen wir Franken ja auch irgendwie zählen, sind die Champions und die „Preißn“ wirklich die „Nordlichter“.
Kusz: Das war doch schon lange klar, dass das norddeutsche Abitur eine Mogelpackung ist. Hochdeutsche Sprachkompetenz allein reicht wohl doch nicht aus. Wir Dialektsprecher dürfen uns freuen. Wir sind die „Dschämbions“, trotz oder gar wegen unseres Dialekts? .
BR: Dass jemand ihre Farce „Saupreißn“, geschrieben in der Zeit des kalten Krieges und der deutsch-deutschen Grenze, reanimiert, hat Sie überrascht. Jürgen Peter, der Regisseur, hat viel Staub abgepustet.. Haben Sie ihr Stück noch erkannt?

„Der Glanz ist wieder da“

Kusz: Der Staub des vergangenen Jahrhunderts ist weg. Darunter steckt aber immer noch die – ewig gültige – Realsatire. Der Glanz ist wieder da. Und es funkelt und blitzt. Wie das Sylvesterfeuerwerk am Schluss.
BR: Die Aktualisierung Ihres Stückes führt ja manchmal zu etwas merkwürdigen Connections: Gotthilf-Fischer-Chor-Bewegung der siebziger Jahre, Deutsch-Schlager von Anno dunnemals, ZDF-Sendungen aus der TV-Steinzeit – und eben fränkisch-preußisches Draufhauen in der Euro-Welt von heute.
Kusz: Ich habe gleich noch einen Aktualiserungsvorschlag gemacht, noch eins draufgesetzt: Gotthilf Fischer war ja unlängst die Attraktion auf der Berliner Love-Parade. Gotthilf goes Techno, voll-geil, äih. Dieser Sangesbruder ist nicht totzukriegen.
BR: Stücke wie „Schweig, Bub!“, „Unkraut“ oder jüngst „Der fränkische Jedermann“ haben Sie bekannt gemacht Dafür haben Sie viel Herzensblut vergossen. Sind die „Saupreißn“ eher ein literarischer Seitensprung?
Kusz: Nein, überhaupt nicht. Mein Vater war Berliner, meine Mutter ist Fränkin. Dieser Konflikt war meine Sozialisation, mein Leben. Die Demarkationslinie zwischen Preußen und Franken geht mitten durch mich durch.
BR: Das Theater in der Kneipe (TIK) Trebgast ist gerade gegründet worden. Die Schauspieler, allesamt Amateure, haben sich mit viel Enthusiasmus an die „Saupreißn“ gewagt. Haben Sie die schwierige Gratwanderung des Stückes bewältigt?
Kusz: Dodool subbä. Janz Baalin is eene Wolke, und die schwebt jetz über Oberfranken. Und die Franken kriegen auch ihr Fett ab…
BR: Sie sind ausgebildeter Gymnasiallehrer. Als Pauker müssen Sie den Mut haben auch zur strengen Zensur. Welche Noten geben Sie den Akteuren?
Kusz: Eins mit Stern! Aber für alle. Es ist ein Emsemble-Stück.

„Die vierte Wand mal einreißen“

BR: Das TIK versteht sich als Theater on tour, eine moderne Form der Wanderbühne. Man gastiert nach Anfrage in den Kneipen der Region. Die Leute gehen nicht ins Theater, sondern das Theater kommt zu ihnen. Vor der Vorstellung wird ein Menü serviert, während der Vorstellung läuft der Wirtsbetrieb auf vollen Touren. Ist das die zukünftige Form des Theaters: Event-Theater?
Kusz: Zwischendurch muss man die vierte Wand, die die Distanz zum Publikum schafft, einfach mal einreißen. Ich habe seit „Schweig, Bub!“ immer auf Identifikation gesetzt. Des dort äff der Bühne, des senn fei mir!
Wolfgang Schoberth