Einen Tisch und zwei Stühle. Mehr braucht es nicht für das TIK. Spielfläche ist der Altarraum, die Zuschauer sitzen in den Kirchenbänken. Als Stück „für den Kirchenraum“ hat Autor Karlheinz Komm sein Werk „Die Nacht von Flossenbürg“ konzipiert. Der Titel lässt erahnen, dass es keine leichte Kost wird.
Denn Flossenbürg – eine Gemeinde in der nördlichen Oberpfalz – hat vor allem durch den Standort eines Konzentrationslagers im Dritten Reich traurige Bekanntheit erlangt. Genau dort spielen sich auch weite Teile des Stücks ab. Genauer gesagt in einer Zelle im Todestrakt.

„Guten Abend. Ich bin seine Mutter. Mein Sohn wurde am 9. April 1945, also einen Monat vor dem Ende des zweiten Weltkrieges, im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.“ Mit diesen Worten wird das Publikum begrüßt. Im weiteren Verlauf stellt sich heraus, dass der „Sohn“ niemand anderes ist als Dietrich Bonhoeffer. Evangelischer Pfarrer, Theologe, Leiter eines Predigerseminars und nicht zuletzt: Widerstandskämpfer. Beteiligt am gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944, das als „Stauffenberg-Attentat“ in die Geschichte einging.
„In den letzten Jahren meines Lebens habe ich mich oft gefragt, wie sie wohl gewesen sein mag, seine letzte Nacht“, erzählt die Mutter weiter. Immer wieder wechselt die Kulisse zwischen dem Wohnzimmer von Frau Bonhoeffer und der Todeszelle ihres Sohnes. In fiktiven Rückblenden berichtet sie, wie sie sich die letzte Nacht ihres Sohnes vorstellt: „Und der Schluss? Ich weiß nur, wie er gewesen sein könnte.“
Dabei stehen viele Gewissensfragen im Raum. „Wie kann ein Pfarrer dafür sein, dass ein Mensch getötet wird?“ So lautet die durchaus berechtigte Frage des SS-Mannes, der den Gefangenen Bonhoeffer in seiner Todesnacht bewacht. Bonhoeffer sagt darauf, man müsse diesen einen Mann, „der ein ganzes Volk nicht nur ins Unglück geführt hat, sondern darüber hinaus in eine unvorstellbare Schuld, die alle Kreise dieses Volkes betrifft“ zum Einhalten bringen – „wenn es sein muss, mit der Waffe“.
Dabei ist sich Bonhoeffer aber durchaus darüber im Klaren, welche Konsequenzen das für ihn selbst nach sich zieht. Er befürwortete den Tod Hitlers, unterstrich aber, dass dies gegen das Gebot Gottes verstoße, wofür er zu büßen bereit sei. Im „festen Glauben an ein neues Sein nach dem Tode, wie immer es auch aussehen mag“, wartete er auf seine Henker.

→ Videobotschaft zum Tag der Befreiung am 8. Mai

„Eine ungeheure Aktualität“ hat das Stück für Regisseur Jürgen Peter und sein Ensemble. Eine Aktualität, „die es noch gar nicht hatte, als wir gesagt haben, dass wir das Stück spielen wollen“. Eine Aktualität verliehen durch die politischen Verhältnisse in Deutschland seit dem Aufkommen der AfD und der rechten Szene. Das braune Regime von 1933 bis 1945 weise große Parallelen auf zu dem, was heute abgehe, meint Peter. Er spielt damit auf Geschehnisse wie in Chemnitz im Spätsommer 2018 an, um nur ein Beispiel zu nennen. Peter hofft, dass das Stück dem Zuschauer den Spiegel vorhalten kann, wenn es um den Umgang mit nationalistischen Tendenzen gehe.
Bei alledem geht es dem TIK aber gar nicht vorrangig darum, den Zuschauer betroffen zu machen. Zunächst war es der Reiz des Stückes, es umzusetzen und mit einer kleinen Besetzung ein abendfüllendes Theaterstück auf die Beine zu stellen. Erst im Laufe der Arbeit sei es der Truppe richtig bewusst geworden, was sich zurzeit um uns herum abspielt „an neobraunem Tagesgeschehen“, sagt Regisseur Peter wörtlich.
„Wir werden nicht alle Leute erreichen,“ erklärt er. Aber der Wunsch sei doch, zumindest einem Prozentsatz der Zuschauer die Augen zu öffnen und bewusst zu machen, dass der nationalistische Weg nicht der richtige sei. „Theater gegen das Vergessen“ – ein Begriff, der für das TIK und Jürgen Peter eine wichtige Rolle spielt: „Wenn es den Begriff nicht schon gäbe, müsste er für dieses Stück erfunden werden.“

Nächste Vorstellungstermine:

Sonntag, 29.01.2023, 16 Uhr in der Kirche St. Maria-Magdalena, Arzberg

Samstag, 18.03.2023, 19 Uhr im Refektorium, Münsterplatz 4, Heilsbronn

Samstag, 22.04.2023, 19 Uhr in der Evangelischen Andreaskirche, Niederstotzingen

Bildergalerie:

Besetzung:

Der Gefangene: Nicolas Valentin Peter
Die Wache: Benedikt Lehmann
Die Mutter: Barbara Wunsch
Der Lagerarzt: Jürgen Peter

Kostüme: Ingeborg Peter

Technik: Tobias Seuß

Inszenierung: Jürgen Peter

Im Repertoire